Geissenliebhaberin Dorothea Rigonalli auf der Spur

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Eine Drahtzieherin, eine Macherin, eine Anpackerin, eine Vernetzerin, Sammlerin, Brotbäckerin, Köchin… und Förderin lokaler Produkte und Capra Grigia-Geissenliebhaberin. Dorothea Rigonalli mags, wenn etwas geht im südlichen Bündner Calancatal.

Das Bündner Calancatal ist ein ausgesprochenes Geissental, das zum Parc Adula gehört, für dessen Parkprojekt Dorothea Rigonalli auch arbeitet. Dort sprechen die Leute noch einen eigenen, besonderen Dialekt, durchsetzt von französisch tönenden Worten. Längst hat die vor 37 Jahren aus Thun nach Cauco gekommene Städterin den gelernt und auch, wie man mit Ziegen umgeht, damit sie glücklich sind. «Denn sie schenken uns ihre Milch und ihre Leben».

Sie hat schon manche schlaflose Nacht erlebt. Denn wenn nur eine ihrer Capra Grigia fehlt, steigt sie hinauf in die steilen Berge des Calancatals und sucht solange, bis sie sie gefunden hat. Allermeistens jedoch kommen die Geissen von alleine zurück zu ihrer Azienda Pelegat in Cauco. Aber Dorothea Rigonalli überlässt kein Tier seinem Schicksal. Ihre schönen farblich den hiesigen Granitsteinen angepassten schiefergrauen Ziegen mit ihren «schwarzen Stiefelchen» bis zum Knie – typisches Merkmal dieser robusten Berggeiss – hegt, pflegt und melkt sie auch. Da sie diesen freiheitsliebenden Tieren aber ihre Freiheit lässt, kann es passieren, dass dem einen oder anderen einmal etwas zustösst.

Viele schlaflose Nächte gab es für sie, als nach einem frühen Wintereinbruch 26 ihrer Capra Grigia nicht mehr heimkehrten. Tage- und nächtelang suchte sie sie vergeblich. Das sind dann jene Tage, in denen sie einfach nur noch traurig ist. Dorothea Rigonalli bewegt im Kleinen durch ihre Arbeit immer auch ein bisschen die (Welt)-geschichte. Die Capra Grigia waren vor nicht allzu langer Zeit noch vom Aussterben bedroht. «Pro Specie Rara hat meine grauen Berggeissen gesehen und sich auch dafür eingesetzt, dass diese Rasse nicht ausstirbt». Die Stiftung, welche die genetische Vielfalt in Fauna und Flora fördert und gefährdete Nutztierrassen vor dem Aussterben bewahrt, nahm darum ein paar der Capra Grigia Ziegen von Dorothea Rigonalli in eine Zuchtgruppe. «Die Geissen gehören aber in die Berge. Nur hier können sie so leben, wie es ihrer Art entspricht».

«Wir haben im Calancatal steinige, ruppige Alpen, wo aber gutes, saftiges Gras wächst. Das lieben meine Ziegen, die frei laufen dürfen. Wenn wir schönes Wetter haben, wollen sie nicht gerne heim. Dann muss man sie zum Melken holen. Aber wenn es schneit, regnet und kalt ist, kommen sie schnell heim. Geissen sind sehr gescheite, lernfähige Tiere. Meinen Tieren gebe ich ihrem Charakter entsprechende Namen. Sie sind anhänglich. Wenn ich sie rufe, erkennen sie meine Stimme, melke ich sie, schmusen sie mit mir. Ich habe immer wieder kleine Gitzis, die mir wie ein Hund folgen». Aus der Milch machen Dorothea und die anderen Ziegenbauern aus dem Tal feinen Käse, den sie oft zusammen mit anderen hier produzierten Produkten auch auf Märkten verkaufen. Für Dorothea Rigonalli ist es ganz wichtig, Tiere in Wert zu setzen. «Denn nur, wenn man sie gut und tiergerecht behandelt, sind auch die Produkte qualitativ hochstehend. Unsere Calancatal-Bauern jedenfalls dürfen stolz auf ihre Produkte sein».

Sie sagt aber auch, dass die Bauern im Tal enger zusammenarbeiten sollten. «Wir sollten unsere eigene Käserei bauen, betreiben und mehr Produkte herstellen. Wir könnten einen Schaubauernhof erstellen, um mehr Gäste zu uns zu holen.» Zusammen mit Frauen aus dem Tal betreibt Dorothea das kleine Cateringunternehmen «Calatur». Dafür werden ausschliesslich lokale und regionale Produkte verarbeitet, zubereitet und gekocht. Manchmal gibt es dann auch die «Mazzafam». Dabei werden Polenta, Kartoffeln und Butter ähnlich wie Maluns zu «Riebel» gerührt und mit Apfelmus serviert. In der eigenen Backstube bäckt die aktive Frau für Kunden regelmässig Brot, oft auch Kuchen und Torten. Vom eigenen Bauernhof gibt’s Gitzi-Fleisch, Natura Beef, Trockenwürste und Trockenfleisch. Ihre «Geisskäse-Bälleli», gedreht in Pfeffer oder getrockneten Blüten, sind mittlerweile schweizweit ein Begriff.