Der Nussknacker von Malans

Nussknack-Maschine
Dank der Genossenschaft «swiss nuss» können Bündner Nusstorten mit einheimischen Nüssen zubereitet werden. Esther Kern hat die Hightech-Nussknackerei und den Nussbauern Johannes Janggen in Malans besucht. 
Johannes Janggen

An langen Winterabenden mag es gemütlich sein, vor dem Fernseher Nüsse zu knacken. Aber wenn man Baumnüsse im grösserem Stil verkaufen möchte, braucht es für die Nussverarbeitung schon eine Maschine. An dieser mangelte es in der Schweiz. Deshalb kamen Walnusskerne vor allem aus dem Ausland, aus Kalifornien etwa. Auch die Bäcker der berühmten Bündner Nusstorten mussten wohl oder übel im Ausland ihre Nüsse einkaufen.

Glücklicherweise hat sich das geändert. Denn: Seit 2019 steht in Malans eine Nussknackmaschine. Sie gehört der Genossenschaft «swiss nuss», für die sich Landwirtinnen und Landwirte aus den Kantonen Graubünden, St. Gallen und Luzern zusammengeschlossen haben. Über ein Jahrzehnt dauerte die Projektarbeit, bis die Kerne von den Schalen getrennt aus der Maschine kamen.

Wir haben keinen Standort gefunden – und irgendwann habe ich gesagt, ich machs.

Johannes Janggen swiss nuss

Wer die Knackerei und das Walnuss-Kompetenzzentrum besuchen will, fährt von Malans zehn Minuten den Berg hoch, an vielen Nussbäumen vorbei. Dann, bei der Einfahrt zum Bauernhof von Johannes Janggen, endet die Strasse an einem neuen Gebäude aus Holz, in dem die Knack-Maschine steht. «Wir haben keinen Standort gefunden – und irgendwann habe ich gesagt, ich machs», erinnert sich Janggen. Er war es auch, der zuerst nach Kalifornien reisen musste, um die Maschine auszusuchen. «Dort gibt es riesige Nussplantagen und deshalb auch entsprechende Maschinen.»

Laut ist es, wenn Janggen und sein Kollege Kaspar Sulser– ein Bauer aus dem Rheintal, ebenfalls Mitglied der Genossenschaft – die Maschine anlassen. Im Wesentlichen funktioniert diese mit Knacken, mit Schütteln und mit Luft – um möglichst viele Schalen von den Kernen zu trennen. Das Knacken etwa, das sieht man, wenn man auf die Maschine steigt und oben reinschaut, übernimmt eine Metallspirale, die die Nüsse quasi in die Enge treibt und zum Platzen bringt. Dann werden sie auf einem Rüttelsieb nach Grösse sortiert. Weil die Schalen leichter sind als die Kerne, wird Luft zur Trennung eingesetzt. Sprich: Die Schalenteile können abgesaugt werden. Raus kommen Nusskerne, die allerdings noch mit Schalenresten durchsetzt sind.

Bei der Ernte 2022 rechnen wir bereits mit 9000 Kilogramm.

Johannes Janggen swiss nuss

Und so geht es an eine zweite Maschine. Diese unterscheidet dank Kameras Schalenteile in den Kernen. Die Schalenteile werden dann mittels Luft quasi aus den Kernen geschossen. Hightech, das man sich eigentlich nur vorstellen kann, wenn man es auch live sieht. Aber kann die Maschine alle Schalen aussortieren? «Nein», sagt Johannes Janggen, «unsere Kerne werden noch manuell erlesen». Dafür gibt es einen eigenen Raum, der heute, bei meinem Besuch, nicht in Betrieb ist. «Die manuelle Arbeit machen wir, wenn die Maschine nicht läuft, das wäre sonst zu laut», erklärt Janggen.

Die Nüsse werden in Grossverpackungen abgefüllt. «Vor allem Bäckereien beliefern wir, sagt Janggen. «Kleine Verpackungen können wir hier, zumindest aktuell, noch nicht anbieten.» Von der letztjährigen Ernte konnten 3500 Kilogramm Nussbruch die Knackerei verlassen. «Bei der Ernte 2022 rechnen wir bereits mit 9000 Kilogramm», sagt Janggen.

Es ist Ende Sommer 2022. Janggen und Sulser knacken die letzten Nüsse der letzten Saison, heute sind es rund eineinhalb Tonnen. Bald reifen die neuen Nüsse. Wir spazieren von der Knackerei den Schotterweg hinunter Richtung Malans, zu den Nussbäumen von Johannes Janggen. Denn sein Hauptjob ist nicht etwa Nussknacker, sondern Bauer. «Als meine Frau und ich den 30-Hektar-Hof übernahmen, war es vor allem ein Fleischbetrieb mit etwas Ackerbau», sagt Janggen. Die Familie interessierte aber, wie man mehr Richtung Pflanzen etwas machen könnte. Und so lag es auf der Hand, dass sich Janggen, als er ein Inserat sah, in dem Bauern für das Nussprojekt gesucht wurden, meldete.

Je kleiner die Bäume, desto früher tragen sie Nüsse. Wir brauchten für unser Projekt möglichst rasch Nüsse, also habe ich mich für die niedrigste Art von Hochstamm entschieden.

Johannes Janggen swiss nuss

Das «swiss nuss»-Projekt nahm seinen Anfang 2007, angestossen von alpinavera, wo man erkannt hatte, dass die Tatsache, dass es keine Bündner Nüsse gibt für die berühmte Nusstorte, eine traurige ist. Nebst Bauern, die mitmachen möchten im Anbau und in der Genossenschaft suchte man bei alpinavera auch nach Finanzierungsmöglichkeiten. Und weil Nussbäume nicht von heute auf morgen Früchte geben, mussten Bauern den Mut haben, die Bäume bereits zu pflanzen, bevor die Knackerei errichtet ist.

Seit 2010 pflanzt Janggen Nussbäume, mittlerweile sind es 1500 Stück auf viereinhalb Hektaren Land. Stellt man sich nun massive, haushohe Bäume vor, so, wie man sie aus den Dörfern kennt, so sieht es bei Janggen etwas anders aus. Etwas höher als zwei Meter sind die Stämme, dann schon folgen die Äste, die Nüsse tragen. Zwar nenne man das auch noch Hochstamm, aber es sind in der Tat sehr kleine Hochstämmer. Janggen erklärt: «Je kleiner die Bäume, desto früher tragen sie Nüsse. Wir brauchten für unser Projekt möglichst rasch Nüsse, also habe ich mich für die niedrigste Art von Hochstamm entschieden.»

In dieser Grösse tragen die Bäume ab rund vier Jahren erste Früchte, ab sieben Jahren haben sie Vollertrag. Bei den haushohen Bäumen muss man mit der doppelten Zeit rechnen. In fünf bis sechs Jahren rechnet Janggen mit Vollertrag, bis dann werden die Walnüsse rund die Hälfte des Gesamtertrags seines Hofes ausmachen. «Ja, das ist dann ein wichtiger Betriebszweig», sagt er.

Bei meinem Besuch sind die Nüsse noch mit einer grünen Schale umgeben. Doch im Innern zeichnet sich schon der Kern ab. Janggen erklärt, dass er auch in Sachen Sorten recht viel recherchiert habe. Für die Plantage, in der wir stehen, hat er sich für die «Lara» entschieden. «Zum Glück», freut er sich, man habe ihm eigentlich abgeraten – aber Lara sei die Sorte, die am besten wachse in Malans. Wie er das wusste? «Das ist komplex, das ist Erfahrung und am Schluss einfach Bauchentscheid», sagt der Landwirt.

Lara ist nicht nur des Ertrages wegen eine gute Entscheidung, wie Janggen findet. Sondern auch deshalb, weil sie weniger Gerbstoffe als andere Nüsse hat. «Viele, die Nüsse schlecht vertragen und im Mund Aphten bekommen, vertragen Lara-Nüsse prima», so Janggen. Er habe noch einen alten Baum auf seinem Land stehen, dessen Nüsse viel schlechter verträglich seien.

A propos alte Bäume: Früher hatten viele Bauern einen Nussbaum neben ihrem Haus stehen. Nicht nur der Nüsse wegen, sondern auch, weil der Baum wie ein Blitzableiter wirkte. Doch im Jahr 1956 erfroren sehr viele davon. Der Winter war erst viel zu mild, die Bäume begannen zu treiben. Dann kam der grosse Spätfrost und es zersprengte die Bäume, die bereits im Saft standen, von Innen.

Nun aber wächst schweizweit die Zahl der Nussbäume. Die Bauern der «swiss nuss»-Genossenschaft haben mittlerweile 3500 Bäume gepflanzt. Im Bündnerland gibt es neben dem Hof von Janggen noch Bauern im Puschlav, die ebenfalls Walnüsse kultivieren. In Bio-Qualität allerdings gibts Bündner Nüsse nur von Johannes Janggen.

Weil Meier-beck aus Santa Maria das Projekt von Beginn weg unterstützte, kann er heute als Einziger überhaupt die Bündner Bio-Nüsse beziehen und eine Bündner Nusstorte in Bio-Qualität backen. Diese wurde im September von Bio Suisse zum Bio Produkt des Jahres ausgezeichnet.

Generell hätte sowohl die Maschine noch mehr Kapazität und auch die Nachfrage nach Schweizer Nüssen ist da. Aber: Die Bäume wachsen natürlich nicht von heute auf morgen – deshalb bleiben einheimische Nüsse noch immer eine Rarität. Eine, die dank Projekten wie «swiss nuss» zunehmend zu einem spannenden Feld wird für Bauern.